Von der Theorie in die Praxis

Sie sind die Zukunft der Industrie 4.0. Und doch haben Auszubildende oft keine ausreichenden Möglichkeiten, im eigenen Betrieb moderne Technologien kennenzulernen. Am bfz-Standort Rosenheim können Berufs­einstei­ger*innen nun praktische Erfahrungen mit digitalen Arbeitsprozessen sammeln.

Lehren 4.0 – neue Ausbildung in der überbetrieb­lichen Ausbildungs­stätte

Sie haben das Wissen, wie digitale Fertigungstechniken funktionieren, und könnten vermutlich sogar die Steuerung selbstständig programmieren. Zumindest in der Theorie. Eine Chance, sich in der Praxis zu beweisen und ihre digitale Kompetenz zu vertiefen, haben sie oft nicht.


Viele Auszubildende kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) können ihr Berufsschulwissen häufig nicht an echten Systemen ausprobieren. Weil entweder der laufende Betrieb einer voll automatisierten Anlage nicht unterbrochen werden kann oder weil im Ausbildungsbetrieb noch analog gearbeitet wird.


Der Mangel an digitalen Kompetenzen sorgt gerade in KMU für einen Innovationsstau. Zumindest die Nachwuchskräfte lernen in ihrer Ausbildung alles über zeitgemäße Fertigungstechniken. Nur leider haben sie dann oft keine Chance, ihr theoretisches Wissen in der Praxis zu vertiefen. Entweder, weil an ihrem Arbeitsplatz noch keine aktuelle Technik zum Einsatz kommt. Oder, weil sie im laufenden Betrieb nichts an den modernen Maschinen ausprobieren dürfen.

Das Sonder­programm ÜBS-Digitali­sierung wird vom Bundes­institut für Berufs­bildung (BIBB) gefördert.

Seit Sommer 2021 haben Azubis im Alpenvorland nun aber extern die Möglichkeit, Erfahrungen im Umgang mit digitalen Arbeitsprozessen zu sammeln: an der ersten Überbetrieblichen Ausbildungsstätte (ÜBS) der bfz in Rosenheim. Junge Berufseinsteiger*innen – und seit Kurzem auch Fachkräfte – werden dort in den Bereichen CNC, innovative Fertigungstechniken und Robotik qualifiziert. Dafür wurden die Lehrräume neu gestaltet und Werkstätten mit modernster Automatisierungstechnologie ausgestattet. 


Die Schulungen sind auf den Praxisbedarf in den KMU ausgerichtet. Die Unterrichtsinhalte werden gezielt auf die jeweilige Situation der einzelnen Teilnehmer*innen angepasst. Sie erhalten so genau das digitale Know-how, das sie in ihrem Unternehmen benötigen. Während manche also die Grundlagen der Programmierung von CNC-Maschinen erlernen, werden andere in komplexen robotergestützten Automatisierungsprozessen geschult.

Beispiele aus dem Schulungsprogramm

Übertragen von Werk­zeu­gdaten an die Produk­tions­maschine

Programmierung von Messmaschinen zur Qualitätssicherung

Praktische Anwen­dung von Steuerungs­tech­niken wie speicher­program­mierte Steue­rung (SPS) und Pneuma­tik in der Robotik

Theoretische Inhalte, zum Beispiel an einem Förderband mit SPS und Sensorik

Programmierung von CNC-Maschinen

Individuelle, spezialisierte Anwendungen lassen sich in der Digitalen Lernfabrik der bfz in München realisieren.

„Es ist wichtig, dass unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Kontext zur Industrie 4.0 erleben können“, erläutert Andreas Jackson, bfz-Koordinator für die überbetriebliche Ausbildung. „Die Azubis sollen an echten Maschinen echte Werkstücke herstellen und dafür die Steuerung selbst programmieren. Sie erfahren, warum schon bei der Entwicklung eines Bauteils an die Fertigungsmethode gedacht werden muss: Lässt sich die Komponente besser an der CNC-Maschine fräsen oder effizienter im 3D-Druck produzieren? So lernen sie in einer realen Arbeitsumgebung die Vor- und Nachteile digitaler Technologien kennen“, erklärt Jackson.


Auch der Fachunterricht der bfz vertieft die digitalen Kompetenzen. Lerninhalte werden am Online-Whiteboard erarbeitet, geschult wird mal in Präsenz, mal im virtuellen Klassenzimmer. Theoretisches Fachwissen, Aufgabenstellungen und die meisten Ausbildungsinhalte sind jederzeit übers Web abrufbar. Außerdem erstellen die Azubis selbst eigene Erklärvideos. Weil sie sich dafür intensiv mit technischen Fragen auseinandersetzen müssen, entwickeln sie ein tieferes Verständnis für die komplexen Themen.


Die Vermittlung digitaler Kenntnisse und ihre Umsetzung in realen Arbeitsprojekten stößt bei mittelständischen Unternehmen aus dem Voralpenland auf großes Interesse. Immer mehr Betriebe lassen digitale Teilbereiche ihrer Aus- und Fortbildung an den bfz in Rosenheim durchführen. „Im ersten Jahr haben wir bereits 150 junge Menschen, vorwiegend aus der metallverarbeitenden Industrie, praxisnah in Anwendungen der Industrie 4.0 qualifiziert“, freut sich Jackson.

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Auszubildende